Aura des Miefs

August 22, 2006

„Der Blechtrommler“ lautet die Überschrift des Spiegels vom 21.08.06. Auf dem Titelblatt abgebildet ist eine Zeichnung, ein kindlicher Körper, gekrönt von einem disproportional großen Grass-Kopf. Der Mensch in der bekannten Oskar-Haltung, mit zwei Trommelstöcken in der Hand, die rot-weiße Blechtrommel ist ersetzt durch einen SS-Helm. Hässlich mutet dieses Bild an, anklagend, in Verbindung mit dem über allem prangenden Titel und der zynisch klingenden Unterschrift. „Späte Bekenntnis eines Moral-Apostels“.
Alles in allem zeigt die Titelseite also einen Mann, einen Blechtrommler, der lautstark auf seinem Blech trommelt, auf seiner SS-Vergangenheit, als wollte er Aufmerksamkeit erregen. Die Meinung des Lesers schon hier vorgeformt, der vorher Unwissende schon jetzt über das Wesentliche informiert, der Blechtrommler schon beim Titelblatt ironisch- abwertend als „Moral-Apostel“ bezeichnet, der durch sein „spätes Bekenntnis“ schon an dieser Stelle untergraben wurde (und ist man nicht ganz vom Mond, weiß man, worum es geht), jetzt wartet man nur darauf, dass der „spät Bekennende“ mit seinem untergrabenen „Moral-Apostel-Weltbild“ durch einen reißerischen Artikel ganz zum Einsturz gebracht wird.
Und dieser Artikel folgt dann auch. Hat schon der Inhalt des Titelblattes falsche, stupide Verknüpfungen vorzuweisen, verleumderische Überschriften, in einem aus dem Bildrahmen heraus-ragenden, durch Lichtreflexe betonten (und offensichtlich ohne einen Gedanken an die katastrophale Bedeutung des Requisitenaustausches verschwendet zu haben), dort platzierten SS-Helm gipfelnd, setzt der Artikel diese Hetzjagd unverblümt, sogar weitaus voreingenommener (berücksichtigt man die Vergangenheit der Beziehung zwischen Grass und dem Spiegel) und parteiischer fort.
Auf 12 Seiten, unterbrochen von zwei zweiseitigen (eine davon mit einer Postkartenbeilage zum Einkassieren einer Geldprämie, wirbt man neue Spiegelleser), ebensovielen einseitigen Werbungen und einer einseitigen Informationsbox unter der Überschrift „Inferno in der Lausitz“ (In der Grass nur in einem Absatz kurz erwähnt wird, ansonsten scheint sie statt einer Erklärung in einem Artikel, in dem wesentlich mehr erklärt werden müsste, mehr ein großes Schild mit Ausrufezeichen zu sein, dass über die Tatsache des fehlenden Textbezugs und der ausstehenden – und ausbleibenden – anderen Erklärungen hinwegtäuschen soll.), lassen sich Dirk Kurbjuweit, Georg Bönisch, Nikolaus von Festenberg, Acel Frohn, Volker Hage, Stefanie Helsper, Hans Michael Kloth, Matthias Matussek, Roland Nelles, Ralf Neukirch, Rina Repke, Elke Schmitter, Mathias Schreiber, Klaus Wiegrefe und Steffen Winter auf beinahe ekelhaft anmutende Weise über einen deutschen Schriftsteller, der sich ungeachtet aller neu auf dem Markt der Information, von den Marktschreiern in Form der Medien laut geschriener, aufgetauchter Nachrichten stets gegen Vergessen, Verdrängung, Verleumdung und Rückfall eingesetzt hat, aus.
Hierbei versteift sich die Beschreibung Grass‘ schon innerhalb der ersten zwei Seiten (allein der Titel „Fehlbar und verstrickt“ bestätigt den Gedanken über die Haltung des Spiegels, den man schon beim Betrachten des Titelbildes begonnen hatte) auf die Formulierung „moralischer Scharfrichter der Nation“. Zu diesem Status hätte Grass sich selbst aufgeschwungen, heißt es weiter, jahrzehntelang habe er andere wegen der Verstrickungen im Dritten Reich verurteilt. Elf Seiten später heißt es erneut, dass er sich die „Häme und Schadenfreude, die nun auf ihn herabprasselt“ (fast klingt dieser Satzteil wie eine Eigenbeschreibung des Artikels), sich selbst zuzuschreiben, da er „nie eine Gelegenheit ausgelassen“ habe, „anderen auf den Schädel zu klopfen, sobald Verfehlungen oder Verstrickungen erkennbar wurden“. Schön und gut, mag man sich denken, an sich nicht besonders verwerflich, wohl aber, wenn der Spiegel selbst, wieder 10 Seiten später, eine Gegenbehauptung in Form eines Wickert-Zitats druckt, welches schon wesentlich Themenaktueller und Problembezogener klingt. Dort heißt es nämlich „Sie haben später Christa Wolf verteidigt, als ihr vorgeworfen wurde, sie sei als junger Mensch mit der Stasi verstrickt gewesen. Sie haben Walter Jens und seine NSDAP-Vergangenheit verteidigt. Haben sie da auch ein bisschen an Ihre Jugend gedacht?“, worauf direkt Grass‘ Antwort folgt: „Ja, ich wehre mich gegen diese Art von Pauschalurteil. …“
Wenn also der Stern schreibt, Grass hätte Jahrzehntelang bei jedem kleinen Verdacht auf eine Verstrickung mit dem Naziregime laut aufgeschrien und die Verdächtigen verurteilt, haben die geschätzten Autoren eben genanntes Zitat berücksichtigt und daran gedacht, gerade weil Grass‘ bestimmte Menschen mit ähnlicher Vergangenheit ja auch verteidigt hat, dass die Verdachte möglicherweise fundierter waren?
Ein weiteres Beispiel der unverschämt subjektiven, indoktrinierenden Schreibweise des Artikels soll folgendes sein:
Nachdem auf Seite 55 ein wenig Pro-CDU-Gerede erfolgt („…griff er gern in die Kiste mit den Hässlichkeiten. Angela Merkel bleibt für ihn die ‚Petzliese‘, weil sie in den USA Schröders Friedenspolitik kritisiert hat. Helmut Kohls Regierung nannte er eine ‚Mafia‘.“ – Hierzu möchte ich kurz erwähnen, wie interessant doch der Unterschied der Reaktionen ist. Wenn ein Linker mal nach einem schnellen, oberflächlichen Begriff langt, um etwas zu beschreiben, greift er in die „Kiste mit den Hässlichkeiten“, während das alltägliche Gerede vieler Mitte-rechts-Politiker, voller ordinärer Vergleiche, unbegründeter und voreingenommener Behauptungen einfach so hingenommen wird.), heißt es einen Absatz später „Grass ist ein Freund der Polemik, und auf der Ebene der Polemik wäre das Etikett Waffen-SS seinen Gegnern willkommen gewesen. Es tut einer Moralpredigt nicht gut, wenn man hinterher ruft: ‚Und das sagt einer, der mal in der Waffen-SS gedient hat.“ Interessant, welche Gedankengänge die Autoren an dieser Stelle verfolgen. Grass‘ Schweigen ist jetzt anscheinend nicht mehr verwerflich weil er als Musterbeispiel des Aufdeckers und Verurteilers, gegen-das-Vergessen-Agierers und Warners selbst gegen seine Grundsätze gehandelt hat, sondern weil er anderen nicht die Gelegenheit gegeben hat, seine „Moralpredigen“ mit dem oberflächlichsten Grundschulargument zu entkräften, dem „Du-darfst-das-nicht-bemängeln-weil-du-das-ja-auch-gemacht-hast“-Satz. Wenn sich der Spiegel zu einem solchen Argument hingerissen hätte (und so hat es nach dieser Äußerung den Anschein), wäre dies belustigend genug gewesen, ich hätte eine solche Vorwurfskette eigentlich nur der Bild-Zeitschrift oder einem anderen Springer-Blatt zugetraut.
Sie merken sicher, dass ich mich bisher ähnlichen Mitteln bedient habe wie der Spiegel es in seinem Artikel tat. Ich habe zwar keine Wahrheiten verdreht und mich in Wiedersprüche verstrickt, aber dennoch habe ich mich echauffiert, propagandistisch und manipulierend geschrieben, indem ich andere Aspekte des Artikels (bis jetzt) ausgelassen habe. Ich will dazu kurz sagen, dass dieser Eintrag eher nicht dazu dient, alleine gelesen zu werden, sondern als ausgleichender Faktor gegen den Spiegel-Artikel gestellt werden kann. Ich möchte hiermit auch vielmehr meine Verärgerung über einen solchen Schund zum Ausdruck bringen, als den geschätzten Leser zu etwas zu beeinflussen, letzteres geschieht (wenn es denn geschieht) eher unbeabsichtigt.
Ich will mich im kommenden Verlauf des Textes etwas differenzierter Ausdrücken und versuchen, auch die wenigen positiven Kommentare, die der Artikel vorweist, zu berücksichtigen.
Zuerst einmal sei gesagt, dass im Artikel, wie um den Eindruck zu erzeugen der Inhalt des Textes stimme ebenfalls mit der Meinung der breiten Masse überein, mehrere Umfrageergebnisse abgedruckt sind. Genauer gesagt sind es zwei Stück. Eine behandelte die Frage „Ist Günther Grass für sie nach seinem Eingeständniss eine Persönlichkeit, deren Wort in politischen und moralischen Fragen auch weiterhin Gewicht hat?“ (65% antworteten mit „Ja“, 24% mit „Nein“ – wobei es der Spiegel offensichtlich für wichtig hat, hinzuzufügen, dass jemand spontan mit „Er war noch nie eine solche Persönlichkeit für mich“ antwortete, obwohl dies auf die Frage bezogen irrelevant und eigentlich eine „Nein“-Antwort ist, da die Frage sich ja nur darauf bezog, ob es (nach den aktuellen Geschehnissen) so sei, und nicht ob es bis jetzt so war.) Die andere Umfrage behandelt die Frage „Einige Politiker fordern, Günther Grass möge seinen Literatur-Nobelpreis zurückgeben, nachdem der Autor erklärt hatte, als 17-Jähriger Angehöriger der Waffen-SS gewesen zu sein. Wie finden sie diese Forderung?“ (10% der Befragten antworteten mit „angemessen“, 86% mit „überzogen“)
Nun, genug davon, ich will noch einige weitere Fakten präsentieren:
Die Bildunterschriften. Gleich unter der ersten Bildfolge (Grass als junger Mann in Uniform mit NS-Binde; ein aktuelles Bild mit Pfeife; Grass im Gespräch mit Willy Brandt (1969)) ist zu lesen „Autobiograph Grass: Seine Rolle als Scharfrichter der Bundesrepublik hätte er nicht spielen können, wenn er offen mit seiner Vergangenheit umgegangen wäre.“
Mein Kommentar dazu: Sicher hätte Grass diese „Rolle“ nicht mit der bekannten Härte und Aggressivität ausleben können, aber die Konsequenz eines früheren Bekenntnisses wird in falsche Licht gerückt. Viel eher hättte Grass durch ein frühes, offenes Umgehen mit seiner Vergangenheit die Rolle des erhobenen Zeigefingers der Nation mit viel größerer Glaubwürdigkeit und Effizienz ausleben können. Recht hat der Spiegel trotzdem, wenn er schreibt „Seine Rolle als Scharfrichter der Bundesrepublik…“. Tatsächlich hätte er Leute, in deren Vergangenheit oder Verhalten er eine Gefahr sah, nicht verurteilen, wohl aber mit noch größerem Effekt warnen können.
Das nächste Bild ist widerlich. Groß prangt auf der dritten Seite des Artikels ein altes Werbeplakat der Waffen-SS, in der Bildunterschrift ist zu lesen „Werbeplakat der Waffen-SS: Hässliches Etikett“. Mit nahezu infantilen Mitteln der Manipulation, so mein Eindruck, wird hier die Atmosphäre des Schreckens geschaffen, ein Bild, banal und stupid, zieht den Blick des Lesers auf sich und vermittelt sofort das Grauen der Waffen-SS. Ohne direkten Bezug zum Text werden hier die Taten des jugendlichen Grass dämonisiert, dies vorerst nur aufgrund des Bildes. Mit diesem unbehaglichen Eindruck steigt man schließlich wieder in den Artikel ein und bekommt schon kurze Zeit später folgende Frage zu lesen: „Fürchtet Grass, der die SS-Runen am Kragenspiegel getragen hat, eine immer noch schwelende Verführbarkeit in sich selbst?“ Dieser Gedankengang wird – wenn auch nur mit dem zögerlich anmutenden Satz „Wohl eher nicht“ – verworfen, doch folgt direkt im Anschluss die Vermutung, Grass würde die Last seiner eigenen Vergangenheit auf möglichst viele Schultern verteilen, wobei ihm niemand entkommen könne, auch die Nachgeborenen nicht. Ist diese Reaktion auf die vorher wiedergegebene Befürchtung Grass‘ „Ist uns die Wiederholungstat in Runenschrift vorgeschrieben.“ nicht ziemlich gewagt? Zumal der Artikel, noch einen Satz vorher, fast schadenfroh die unbegründete Besorgnis Grass‘ vor der Wiedervereinigung Deutschlands kommentierte.
Einige Seiten später erneut eine Bildunterschrift „… Was hat Grass wirklich bei der Waffen-SS erlebt?“ – eine unbegründete, nicht erklärte Frage, welche auch unbeantwortet bleibt und deren Absicht klar ist: Die Erweckung des Zweifels, des Eindrucks einer noch dunkleren, unklaren Vergangenheit. Fast liest man schon: „Was verschweigt Grass sonst noch? An welchen Verbrechen war er beteiligt?“
Nun gut, ich glaube, es sollte langsam reichen, ich will nicht weiter von den Diffamierungen reden, von den einseitigen Darstellungen, den unbegründeten Behauptungen und Schlussfolgerungen, vielmehr schlage ich ihnen vor, den Text selbst zu lesen (Erscheinungsdaten etc. sind weiter oben in Erfahrung zu bringen) und sich eine eigene Meinung zu bilden – ich bitte nur um ein kritisches Auge, das auch hinter die Wörter zu blicken in der Lage ist.

Bis dahin verbleibe ich und wünsche Ihnen eine angenehme Nacht,

W. Mues

Mel

August 21, 2006

Es war ungefähr zwanzig vor zwei Uhr nachts, griechischer Zeit. Ich lag in meinem Bett in einem Zimmer des kretischen Hotels, in dem ich Urlaub machte. (Es war tatsächlich der gleiche Urlaub auf Kreta, den ich auch in einem kleinen Text – tituliert ‚Sesamkekse‘ – erwähne. Ich würde zu gern schreiben dieses Ereignis hätte sich am gleichen Tag ereignet um den Urlaub dichter und verrückter darzustellen, das würde dann aber nicht ganz der Wahrheit entsprechen, in Wirklichkeit ereignete nachfolgendes sich ungefähr drei Tage später.) Aus den Lautsprechern meines Laptops, dessen Bildschirm ich ausgeschaltet hatte, klang die Stimme meines Vaters, spezifiziert die Vertonung des Buches ‚Small World‚. Nachdem ich mich schon eine CD lang hellwach in meinem Bett hin- und hergewälzt hatte („In Zukunft lieber doch weniger koffein- und zuckerhaltige Getränke zum Abendbrot.“), schien sich gerade der gnädige Mantel des Halbschlafes über mich zu breiten – die Stimme begann, unverständlich zu werden, Sätze fehlten plötzlich, der laute Brummton des Ventilators (Aufgrund der Hitze unverzichtbar, wollte man sich morgens nicht wie eine Scheibe Käse in einem schlabbrigen, von Wasser – in diesem Falle Schweiß – durchtränkten Flughafensandwich fühlen.) störte kaum mehr, als mich ein Rascheln, gefolgt von einem Laut, den man nur als das Aufkommen von irgendetwas auf dem Boden beschreiben kann, wieder in einen unfreiwillig wachen Zustand zog.

Wahrscheinlich eine Zeitung, die der Ventilator heruntergeweht hat, dachte ich mir, als mir klar wurde, dass sich keine Zeitung in meinem Zimmer befand. Zumindest nicht an einer Stelle, von der sie hätte heruntergeweht werden können. Außerdem war das Geräusch vom offenen Fenster gekommen. Also knipste ich das Licht an, schaute mich stirnrunzelnd im Zimmer um, entdeckte aber keinen hereingefallenen Stock, keinen Laubhaufen und auch keinen Einbrecher, der mich aus der Zimmerecke schuldbewusst ansah. Ich schrieb das Geräusch einem sich draußen Zugetragenen Geschehen zu und machte mir keine weiteren Gedanken darüber. Mich ärgerte nur, dass ich jetzt wieder so wach war. Also hörte ich weiter das Hörbuch und wälzte mich Klischee-bestätigend ein paar mal hin- und her. Nach einem dieser Wälzvorgänge in Richtung des Laptops und damit der Bettkante vernahm ich ein Klirren, exakt wie eines, das entsteht, wenn man ein Geldstück fallen lässt. „Da lag wohl ein Geldstück am Bettrand, dass ich gerade runtergeschoben habe.“, waberte es durch mein Gehirn, bevor irgendwo ein kleines Rädchen einrastete und ich mich blitzschnell im Bett aufsetzte und das Licht einschaltete.

Gerade noch sah ich das Hinterteil eines aufgescheuchten, ins Badezimmer huschenden Tierchens, an dem sich ein ungefähr viermal so langer Schwanz befand. Ich stieß einen erschrockenen Ruf aus und begab mich in einer fließenden Bewegung, die in meiner Erinnerung nach der einer Marionette aus der ‚Augsburger Puppenkiste‘ aussieht und den Gesetzen der Physik zu widersprechen scheint, aus der sitzenden in eine stehende Haltung.

Es ist nun nicht so, dass ich Angst vor Tieren habe. Ganz im Gegenteil. Ich habe nur Angst vor ihnen, wenn sie nicht Teil der Abbildung eines Flach- oder Röhrenbildschirms sind. Und eigentlich ist auch das gelogen. Natürlich habe ich nichts gegen Haustiere (was nicht ganz stimmt, hier aber irrelevant ist) und von wilden Tieren bin ich sehr fasziniert und ängstige mich nicht vor ihnen, es sei denn, sie nähern sich mit gesenktem Kopf und unangenehm hoher Geschwindigkeit (was bisher eher selten – genauer gesagt noch nie – vorgekommen ist). Aber wenn sich herausstellt, dass ich in einem Zimmer, in dem ich mich allein wähne, plötzlich und unerwartet Gesellschaft habe und diese Gesellschaft aus einem kleinen, huschenden Tier mit langem Schwanz besteht, das sich ja auch in meinem Bett hätte befinden können, bin ich immer wieder sehr erschrocken. Diese Art Gesellschaft hatte ich schon häufiger (wenn auch – und ich schätze mich diesbezüglich sehr glücklich – noch nie unter oder über der Bettdecke) und ich will sie nicht. Nicht nur, weil ich ehrlich Angst habe, sie beim Aufwachen irgendwo über oder unter der Bettdecke wiederzufinden oder dass sie dort in der Nacht zumindest ab und zu sein könnte, sondern auch weil mich das wiederkehrende Rascheln und das regelmäßige Herunterfallen irgendwelcher undefinierter Sachen ziemlich beunruhigt und der Geruch des Urins solcher Tiere, den man, verbringt man den Urlaub in kleinen Blockhütten auf dem Lande, des öfteren im Kissen oder der Decke wiederfindet, doch ziemlich unangenehm ist.

Schnell schritt ich zur Badezimmertür und schloss diese mit einem einzigen, beherzten Schwung. Meine nächste Station (eigentlich musste ich mich nur um wenige Grad drehen, denn das Zimmer war nicht besonders groß) war das Fenster, das ich ebenso beherzt schloss. Schließlich legte ich mich zurück ins Bett, versuchte, mich ein wenig zu beruhigen und zu überlegen, was ich tun konnte. Ich kam zu dem Schluss, einfach zu schlafen und die Maus (Oder war es eine Ratte? Ich werde es zunächst bei Maus belassen.) am nächsten Morgen irgendwie aus dem Zimmer zu entfernen. Ich hielt diesen Plan für gut und beschloss, der Maus einen Namen zu geben. Mir war sie unangenehm, ich wollte sie schnell wieder loswerden und am besten nie wiedersehen. Ich nannte sie Mel. (Das stimmt eigentlich nicht ganz, zuerst nannte ich sie in Ermangelung eines besseren Namens Oprah, dieser Name erscheint mir jetzt allerdings zu Fantasielos. Ich hatte auch kurz überlegt, sie Angela zu nennen, aber das wiederum empfand ich dann als zu gemein. Immerhin konnte die arme Maus ja nichts dafür, dass ich sie schnell wieder loswerden wollte.)

So lag ich also im Bett, das Licht war gelöscht, mein Herz schaltete langsam auf normale Frequenz und die Stimme meines Vaters drang wieder aus dem Laptop, als mir langsam dämmerte, dass auch die Anwesenheit einer verängstigten und verwirrten Maus im Badezimmer unwahrscheinlich unangenehm ist. In unregelmäßigen Abständen, und jedesmal überraschend und erschreckend, drangen beunruhigende Geräusche aus dem Badezimmer. Immer wieder polterte und rumpelte es, und mir wurde klar, das es sich bei diesen Lauten um diverse umgestoßene und herabfallende Shampoo-, Seifen- und Parfümfläschen, Kontaktlinsenbehältern und -reinigungsflüssigkeitsampullen sowie Antisonnenallergiebrausetablettenrollen handeln musste.

Ich stand also auf, stellte den Laptop vom Hocker aufs Bett und anschließend den Hocker vor die Badezimmertür, zog mir Socken und Sandalen an (Lachen Sie ruhig, aber ich gebe zu, die Vorstellung, die Maus – eventuell war es ja auch eine Ratte – könnte mir über die nackten Füße klettern, war mir doch ziemlich unangenehm.), öffnete die Tür, holte mir aus dem Innenhof eine Bambusstange, die einen, jetzt bedrohlich schiefstehenden, Kaktus gestützt hatte und stellte mich auf den Hocker, um die Badezimmertür zu öffnen und die Maus mit der Stange zu verscheuchen.

Mel saß auf dem Toilettenspülkasten, war wirklich sehr, sehr groß und blickte mich frech (das animalische Minenspiel ist mir gänzlich verschlossen, aber Sie gestatten mir sicherlich dieses kleine Bild) und bewegungslos an.

Ich hob also den Stock und stieß damit knapp hinter Mel die Wand an, um ein Geräusch zu erzeugen.

Er war nicht besonders beeindruckt. Tatsächlich hatte ich sogar das Gefühl, er verhöhnte mich, da er den Schwanz scheinbar noch weiter nach hinten streckte. Alles in allem schien er mir sagen zu wollen „Mir geht es gut hier und hier bleibe ich auch, hörst du? Wenn du damit nicht zufrieden bist, kannst du mich ruhig an meinem kleinen, pelzigen, grauen“ nun, ich war damit nicht zufrieden, besonders, da er auf weitere klopf-versuche ebenfalls nicht reagierte und nahm den Stock zurück.

So, und hier ist der Zeitpunkt gekommen, an dem sie sich die Situation ganz bildlich vorstellen müssen.

Ich, in weißen Socken, Sandalen, Unterhose und T-Shirt, mit einem einhundertfünfzig-Zentimeter-Bambusstock in der rechten Hand, auf einem Hocker stehend, mich mit der linken Hand an der Badezimmertürrahmenoberkante (ich stelle gerade mit einiger Belustigung fest, dass die Rechtschreibprüfung von OpenOffice zwar „einhundertfünfzig“ nicht kennt, aber wohl „Badezimmertürrahmenoberkante“ irgendwo gespeichert haben muss) abstützend. Dies ganze bei geöffneter Zimmertür. Und in diesem Moment geht eine Gruppe von ungefähr vier Jugendlichen vorbei.

Ich sprang zur Tür, schloss sie.

In just diesem Moment läuft Mel aus dem Badezimmer, saust unter das Bett, schießt einen Augenblick später wieder darunter hervor und verschwindet im Badezimmer. Ein erneuter, Prüfender Blick zeigt mir, dass er jetzt hinter der Tür sitzt, wo ich mit dem Stab nicht hinkomme.

Ich schloss also die Tür, zog mir eine Hose an und ging in dem kleinen Dörfchen ein bisschen herum, um mich abzureagieren. Setzte mich an den Strand, hörte dem Rauschen der Wellen zu, schlief fast ein, machte mich schließlich auf den Rückweg und beschloss, einfach unbeeindruckt von der Maus ins Badezimmer zu gehen und sie rauszuscheuchen.

In meinem Zimmer angekommen hatte sich meine Euphorie schon wieder gelegt, ich stand inzwischen also wieder auf dem Hocker und öffnete jetzt vorsichtig die Tür.

Kein Mel.

Verwirrt und zögernd betrete ich das Badezimmer, blicke in alle Ecken, öffne die Tür und schaue dahinter.

Kein Mel.

Tatsächlich sah ich Mel nach unserer kleinen Begegnung nie wieder, und das stimmt mich nicht nur deshalb traurig, weil ich deshalb nicht die geringste Pointe für meinen Text habe, sondern auch, weil ich nie beweisen werde können, willensstark genug gewesen zu sein, dem Namensvetter des Schöpfers solcher Filme wie „The Producers“ direkt gegenüberzutreten und ihn aus meinem Zimmer zu verscheuchen.

Aber wie gesagt, hauptsächlich enttäuscht mich der bedeutungslose Text, verbunden mit der nicht im Geringsten vorhandene Pointe.

Nachtrag und Ankündigung

August 21, 2006

Was ich bei dem Artikel zum 17.08. vergessen hatte zu erwähnen, war, dass der Vortrag der Organisation „Rettet den Volksentscheid“  („Ole spielt falsch“), den ich mental natürlich völlig unterstütze, mit dem 33. Hochzeitstag meiner Eltern zusammenfiel. Mit anderen Worten, meine Eltern heirateten am Todestag Conrad Aiken’s und Jean Barraqué’s und feierten ihre Kristallene, Plünnene, Lumpen-, gläserne, Flaschen- und Veilchenhochzeit zusammen mit Heß‘ Suizid. Nun zu einem anderen Thema: Um wieder ein bisschen Lesestoff herzustellen, habe ich den witzlosen Kurztext „Mel“ kurz fertiggestellt. Wie gesagt, nur, damit wieder ein bisschen was zum Lesen da ist.

Henkidenki,

Woody

Mittwoch, der…

August 17, 2006

Heute ist, wie man mit einem Blick in den Kalender diesem zweifellos entnehmen kann – und zwar zum Zeitpunkt der Verfassung des Artikels erst seit einigen Minuten – der 17. August. So viel dürfte jeder Mensch, der sich im Besitz einer (korrekt gehenden) Digitaluhr mit Datumsanzeige, eines Kalenders, einer Zeitung (mit bekanntem Veröffentlichungszeitpunkt – so z.B. „Vorgestern“), eines Fernsehers, eines Computers mit wahlweise richtig gehender Zeitanzeige oder Internetanschluss, eines Radios oder des Wissens um die Datumsberechnung anhand des Standes der Sterne und den zugehörigen Messinstrumenten befindet, wissen. Die meisten jedoch wissen wahrscheinlich nicht um die 6 historischen Begebenheiten, die sich am 17. August zutrugen und die ich hier jetzt kurz erwähnen will.

Zuerst etwas erfreuliches:

Heute vor 19 Jahren, also im Jahr 1987, beging Rudolf Heß mit einem am Fenstergriff befestigten Verlängerungskabel (wie ich vermute durch Selbststrangulation) Suizid. Tatsächlich weiß man bis heute nicht, ob Hitler von Heß‘ „Besuch“ in England wusste oder diesen sogar in Auftrag gab. Martin Allen, ein britischer Historiker, vertritt in diesem Punkt die Meinung, dass Hitler von Heß‘ Vorhaben gewusst haben muss, da die beiden sich vorher getroffen haben, Ian Kershaw jedoch, bekannt durch seine zweibändige Hitler-Biografie, behauptet in dieser, Heß‘ Flug nach England wäre für Hitler völlig überraschend gewesen.

Nun die anderen Themen:

Ebenfalls am 17. August, jedoch im Jahre 1896, starb Bridget Driscoll. Eine Person, die man nun wirklich nicht kennen muss, aber die Umstände ihres Todes sind interessant. Die damals 44-jährige ist nämlich die erste Person, die in einem Verkehrsunfall, in das ein Automobil verwickelt war, starb. Verwirrenderweise fuhr das Auto 6,8 km/h (Die Geschwindigkeit des Autos wurde von Augenzeugen als „rücksichtslos, fast so schnell wie ein Feuerwehrwagen“ beschrieben), rammte Driscoll, die daraufhin zu Boden fiel, mit dem Kopf aufschlug und wenig später starb.

Geburtstag feiert heute nicht nur Mark Felt, besser bekannt als „Deep Throat“, der indirekt für Nixon’s Rücktritt sorgte, sondern auch Sean Penn und dessen Schauspielkollege (und Namensvetter Redford’s, der eine Hauptrolle in „Die Unbestechlichen“ spielte) Robert De Niro.

Zudem fällt auf den 17. August nicht nur die Geburt Lothar Bisky’s, des Vorsitzenden der Linkspartei, sondern auch (und dies im Jahr 1956) das Verbot der KPD (deren – man mag mir diesen Gedankengang verzeihen und eventuell berichtigen – inofizieller Nachfolge-/Bruderpartei Bisky vorsteht) durch das Bundesverfassungsgericht in Westdeutschland verboten. Ich will zu diesem Urteil jetzt keinen echten Kommentar abgeben, da es aus einem gewissen Standpunkt betrachtet verständlich erscheinen mag, nur will ich auf den unverschämten Zustand hinweisen, dass das Gericht die gleichen Grundsätze anlegte wie bei der vier Jahre davor erfolgten Verbietung der SRP (Sozialistische Reichspartei – die quasi die Inhalte der NSDAP fortführte).

So, jetzt ist aber genug, immerhin ist heute, am 17. August 2006 auch der erste Schultag in Hamburg.

Also verabschiede ich mich mit einem herzlichen Glückwunsch an den ca. 365ten Teil der Weltbevölkerung,

Woody Mues

Sesamkekse

August 13, 2006

Ich stand auf dem Balkon des Zimmers meiner Reisebegleiter und knabberte an einem delikaten Sesamkeks, während ich über den Inhalt einer kurzen E-Mail nachdachte, die ich zu Schreiben plante. In dem Hotel, in dem ich für vier Wochen Urlaub machte, war seit dem Vorabend die Telefonleitung unterbrochen (womit mir die Möglichkeit genommen war, meinen Laptop vor Ort mit dem Internet zu verbinden) und ich wollte aus einem Internetcafé im nächstgelegenen Dorf ein kurzes Lebenszeichen versenden. Die Batterien meines Laptops waren leer und er lud sich im Zimmer auf, während ich auf dem Balkon auf und ab ging, den delikaten Sesamkeks vernichtete, nachdem ich gesessen und Douglas Adams gesammelten Nachlass teilweise vertilgt hatte (Ich befürchte, dass dies vielleicht ein wenig makaber klingen mag, aber wenn man „Lachs im Zweifel“ und Stephen Fry’s Einleitung, in der er den Inhalt des Buches aus Gründen, die man lieber eigenständig herausfinden sollte, mit japanischem Essen vergleicht, kennt, erscheint die Metapher doch durchaus angebracht.).

Einem plötzlichen Bedürfnis folgend ging ich durch die Balkontür ins Zimmer, wo meine Reisebegleiter im Bett lagen – der Mann schlief, die Frau beschäftigte sich mit meinem Gameboy und einem darin steckenden Gehirn-Trainings-Spiel. Ich griff in die Dose mit den delikaten Sesamkeksen und nahm mir noch einen, bevor ich die Frau (Ich gebe zu, ihren Namen zu nennen, wäre sehr viel persönlicher, aber ich höre auf meinen Sinn für Provokation und werde dies auch weiterhin nicht tun – Wobei ich mir die Frage stelle, wen ich damit eigentlich Provoziere. Den Leser, mich selbst oder vielleicht die Frau?) fragte, wann wir denn in die Stadt führen, wo sie einen Motorboot-Motor abholen und ich die E-Mail abschicken wollte.

Das Weib (Ich bin zu dem Entschluss gekommen, primär sie und sekundär Sie provozieren zu wollen.) antwortete, dass es erstmal bei der Werkstatt anrufen wolle, um in Erfahrung zu bringen, ob der Motor schon repariert wäre.

Ich antwortete mit einem gemurmelten, bestätigenden „Mhm“, biss in den Sesamkeks (Habe ich schon erwähnt, dass diese Kekse wahrlich delikat sind?) und ging wieder auf den Balkon, wo ich die E-Mail in Gedanken fertigstellte. Als sowohl Lebenszeichen als auch Keks beendet waren, dachte ich nochmal daran, wann wir in die Stadt fahren würden, und stutzte, als ich in Gedanken über die letzte diesbezüglich erhaltene Aussage stieß. Ich betrat das Zimmer und fragte die Frau (Ich überlegte gerade kurz, sie „das Ding ohne Ding“ zu nennen, dies kam mir dann aber doch etwas zu ordinär vor), wie sie denn bei zerstörten Telefonleitungen mit der Werkstatt telefonieren wolle. Sie Antwortete, mit dem Handy des Hotelbesitzers telefonieren zu wollen. Meine Reaktion war ein kurzes Stirnrunzeln, das ich abbrach, als ich mir dachte, dass der Laptop wohl einigermaßen aufgeladen sei und ich ihn zu mir nahm, um zu schreiben. Leider hielt die Batterie lange genug, dass ich diesen Text beenden und ihn sogar noch abspeichern konnte. Das tut mir Leid, ich bitte Sie vielmals um Entschuldigung.

16:30 (griechischer Zeit), 18.07.06, Hotelbalkon in Dytikos, nahe Lentas, Kreta

Staphylokokken

August 13, 2006

Nach vier Nächten im wettertechnisch ernüchternden Hamburg schreibe ich nun also meinen ersten, „echten“ Eintrag. Nachdem ich die letzten Tage damit verbracht habe, zu faulenzen, das, was ich an der näheren Umgebung mag, zu genießen, im Bett zu liegen und viele, viele ausgeliehene Filme anzusehen, habe ich heute morgen endlich festgestellt, dass sich die Blasen, die sich seit meiner Ankunft in Hamburg an meinen Beinen gebildet haben, nicht von selbst auflösen und stattete meiner Kinderärztin einen kleinen Hausbesuch ab. Ergebnis: Staphylokokken, lat. Staphylococcus, von gr. σταφυλόκοκκος (wörtl. in etwa „die Traubenkugel“ – sehr beunruhigend). Ich will nicht länger mit der aus dieser Diagnose reultierenden Antibiotikakur nerven, deshalb liefere ich, um den geschätzten Leser zu besänftigen, direkt im Anschluss einen Kurztext, eine kleine Schreibübung, im Urlaub verfasst und mit dem Titel „Sesamkekse“ versehen, nach.

Angenehme Träume,

Woody

P.S: Fidel Castro wird heute 80. Das wäre ein gutes Thema für meinen ersten richtigen Blog-Eintrag gewesen, aber für Einträge, die meine Meinungen zu politischen Themen beinhalten, will ich mir noch ein bisschen Zeit lassen.

Also dann…

August 6, 2006

ist dies wohl mein Blog.

Wir werden sehen, was daraus wird; vorerst nichts, da ich keine Zeit habe.

Auf bald,

Woody